Sonntag, 15. März 2009

Rückblick

Im Intro hatte ich geschrieben, dass ich unter sehr starken sozialen Ängsten gelitten habe (und natürlich immer noch leide, aber in geringerem Maße). Besonders bei Fremden dauert es sehr lange, bis ich auftaue. Ich bin lange sehr zurückhaltend, manche interpretieren das asl Desinteresse oder auch Arroganz. Aber ich brauche Zeit, um die betreffende Person zu beobachten, um sie auf ihre "Gefährlichkeit" mir gegenüber einschätzen zu können. Ich möchte mir keinesfalls eine Blösse geben, halte sozusagen mein Visier runtergeklappt, damit man mir keine Schmerzen zufügen kann. Das ist die zentrale Erwartung meinen Mitmenschen gegenüber, Verletzungen, Herabsetzungen. Es fällt mir schwer zu glauben. andere könnten mir wohlgesonnen sein und sich freundlich verhalten.
Das ist allenfalls ein theoretischer Gedanke. Aufgrund dieser Erwartung war mein Einzelgängertum und mein Zurückgezogensein psychologischerweise die weit angenehmere Variante, noch dazu wo mir das Gefühl von Einsamkeit fremd ist, so merkwürdig sich das anhören mag. Heute möchte darauf eingehen, wie ich einen erfolgversprechenden persönlichen Ansatz gefunden habe, diese Ängste zu reduzieren.
Letzes Jahr habe ich nach einer staatlichenÜberprüfung Zugang bekommen zum Sicherheitsbereich unseres Flughafens. Ich jobbe dort nebenbei ein bischen. Die Fliegerei hat mich schon immer sehr interessiert und ich bin ein großer Luftfahrt-Fan. Natürlich wollte ich mir die Flugzeuge auch von innen ansehen. Aber dazu muss man fragen, und zwar den Kapitän eines Fliegers, denn der ist der Chef und hat die Entscheidungsbefugnis. Aber heutzutage stehen bereits vor den Fliegern oft Sicherheitswachen, die man auch erst mal erfolgreich passieren muss, und da die natürlich erst mal mißtrauisch sind, weil ich nicht zum Personal gehöre, das den Flieger abfertigt, bedeutet schon das Stress. Es gibt mehrere Faktoren, die für mich eine Rolle spielen, wenn ich in eine Maschine will, positive und negative. Positiv ist , dass ich mich in der Materie ein auskenne und den Piloten sinnvolle Fragen stellen kann. Das hilft schon mal den Kontakt zu strukturieren (Fragen möglichst vorher gut überlegen und bereithalten), das Thema
ist natürlich auch klar festgelegt, im Gegensatz zu einer Zufallsbegegnung mit Fremden in der U-Bahn, wo mir kaum mehr einfallen würde, als übers Wetter zu reden, oder dümmer, "in welche Richtung fahren Sie?". Das Negative ist, ich muss zwei oder drei Fremde unmittelbar hintereinander ansprechen , mich vorstellen (gewaltiger Stress, Herzklopfen, Beklemmung, sogar Stottern) und um Erlaubnis bitten, wobei ich Ablehnung als Demütigung empfände (noch mehr Angst). Bereits die kurze Vorstellung empfinde ich aufgrund meines geringen Selbstwertgefühls in der Situation als grosse Qual.Und nicht zuletzt haben Piloten für mich einen hohen Status , ich empfinde sie als Autorität, so lächerlich sich das anhört; und mit Autoritäten habe ich immer schon arge innere Probleme gehabt. Einerseits bin ich im Grunde nicht bereit ihren höheren Status anzuerkennen, andererseits verlange aus Angst genau das nach aussen hin von mir. Eine Art innere Rebellion. Lange Zeit z.B. hatte ich Probleme den Doktor-Titel vor den Namen mich behandelnder Ärzte zu setzen, also vermied ich so gut es ging die Nennung ihres Namens. In der Arbeit waren mir meine Vorgesetzten grundsätzlich zuwider, in der Regel hab ich hintenrum schlecht und geringschätzig über sie geredet, und den direkten Kontakt so gut es ging vermieden.

Wenn es meine Dienstzeit also zuliess habe ich unter der beschriebenen Faktorenkonstellation mich Fliegern genähert und sie betreten, mich mit dem Personal unterhalten, aber unter einem gewaltigen Druck, ich habe es gehasst, trotz allem Interesse. Mehr als zwei oder drei Flugzeuge konnte ich nie besuchen. Der Psychostress war einfach zu gross, es zeriss mich fast, immer wieder Fremde kontaktieren, dabei so einen so souveränen Eindruck machen wie möglich. Und dann auch noch Fragen stellen, nachfragen, ein paar Sätze wechseln. Davor wars fast immer wie die leibhaftige Hölle, danach war ich zwar psychisch komplett erschöpft, und musste ein paar Tage oder länger "Pause" machen, bevor das nächste Abenteuer unternahm. Aber ich hatte das Gefühl, ich mache Fortschritte, ich bin erfolgreich im Kampf gegen meine Angst vor Menschen, die mich bisher immer so gelähmt hatte und zum Nichtstun zwang. Das war sehr ermutigend.
Allerdings waren die Folgen dieser Aktionen stets Selbstzerfleischung, denn da war eine innere Stimme , die mir immer wieder sehr heftige Vorwürfe machte: Du darfst das nie mehr wieder tun, Du bis böse. Du belästigst andere Menschen und störst sie bei der Arbeit, bloss zu deinem Privatvergnügen. Du hast keinerlei Recht sowas zu tun. Und das trug erheblich zu meinen Erschöpfungszuständen bei. Es gab Tage, da konnte ich danach nichts anders als auf dem Bett leigen und vor mich hindösen, so fertig war ich von mir selber.