Sonntag, 27. Juni 2010

Richtig Rolltreppe fahren

Vielleicht irre ich mich ja, aber irgendwie hab ich doch oft den Eindruck, dass viele Weiber sich nicht besonders wohl zu fühlen scheinen, wenn ein (fremder) Mann direkt hinter ihnen steht. Allerdings hab ich selber auch insgeheim die Befürchtung für einen stalker ( was natürlich nicht den Tatsachen entspricht) gehalten zu werden, wenn ich hinter einer Frau hergehe oder stehe. Beim Rolltreppenfahren, insbesondere auf den langen im öffentlichen Verkehr, stelle ich mich oft demonstrativ quer zu Fahrtrichtung, wenn ne junge Tussi vor mir steht, um ihr zu bedeuten, dass sie nichts zu befürchten hat. Besonders glücklich bin ich damit auch nicht, denn warum soll ich mich denn für die Gefühle Fremder verantwortlich fühlen?! Vor ein paar Wochen kam mir die Idee, wie ich die Situation für mich zum Vorteil nutzen könnte: wenn mir eine gefällt, dann kuck ich nach vorne oben auf ihren Kopf; und wenn sie sich umdreht, um zu checken, dann blicke ich ihr geradwegs ins Gesicht, und das unter Anwendung der früher beschriebenen Blickkontaktregeln; also insbesondere Blick halten und als Zweiter wegschauen.
Kürzlich war ich unterwegs zu einem Supermarkt , vom S-Bahnhof kommend ne lange Rolltreppe aufwärts. Als ich zum unteren Ende der Treppe ging, lief in gleicher Höhe
ein junger Farbiger,ich kuckte nicht genauer hin, aber nach schneller Einschätzung, aus der Region Karibik. Es war eine dieser Situationen, wo man nicht weiss, ob man langsamer oder schneller gehen soll, weil das Ziel(Rolltreppe) nur ein paar Meter weiter lag. Ich entschloss mich letzlich, ihm den Vortritt zu geben und kam direkt hinter ihm auf der Rolltreppe zu stehen. Erst schaut ich auf die Werbung auf der gegenüberliegenden Wand, dann mal kurz hoch und erkannte, dass der "Er" ein "Sie" war, die auch just in dem Moment, wo ich eigentlich ziellos nach oben schaute, ihren Kopf nach rückwärts drehte. Tja, also war Hinkucken angesagt, zwangsläufig. Womit ich nicht rechnete, war , daß sie nicht mehr wegkuckt. Aufgeben kam nicht in Frage, ich wollte keinen Gesichtsverlust; aber ich wollte auch keinen Kampf mit ihr. So blieb mir nur eins, was mir bislang immer unglaublich schwerfällt: eine Frau ( in ihrer Eigenschaft als Frau!!) anzulächeln. Das ist unheimlich schwer. Anscheinend hab ich in meinen Kindheitstagen diesbzüglich ein furchtbares Trauma erlebt. Ich weiss nicht woher diese Blockade, diese tiefsitzende Angst sonst kommen sollte. Ich kann Frauen anlächeln, wenn Sie mir Brötchen verkaufen, selbst wenn sie im Servicecenter des Finanzamts arbeiten *gg*. Aber in all den Fällen halt nicht wegen ihrer Weiblichkeit, sondern aufgrund des Kontextes, ihrer Funktion.
Und - überraschenderweise gelang mir das Lächeln, zwar unter heftigem Schnauben aufgrund meiner Angst, aber das konnte sie nicht wahrnehmen wegen des im Treppenschacht herrschenden heftigen Windzuges, Gott sei Dank! So nahm sie also nur mein gequältes(?) Lächeln war. Und was passierte? Stürzte die Welt ein? Nein! Einen minimalen Bruchteil einer Sekunde später lächelte sie zurück und mir wurde warm ums Herz. Ich war erlöst, es war nichts Schreckliches passiert, ich hatte mein Gesicht gewahrt, ja ich glaube, nicht mal für den Beginn eines Flirts wäre die Körpersprache schlecht gewesen. Puhh, und war ich happy hinterher. Ich hätte mir das bis dahin nicht zugetraut.
Ich hab mir vorgenommen, diese scheinbar unangenehmen Situationen auf der Rolltreppe, die ja täglich vorkommen, wenn man öffentlich Verkehrsmittel nutzt, auf diese elegante Weise ins Positive zu verkehren und zu lösen.

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